Hearings / Der Fall Mutarule

Die Verantwortung der NGOs und der Vereinten Nationen

Nehmen Unsicherheit und Gewalt im Ostkongo kein Ende, weil zu viele lokale und internationale Player von den Konflikten profitieren?
mehrweniger

Im Juni 2014 wird in Mutarule, einem Dorf im ostkongolesischen Grenzgebiet zu Ruanda und Burundi, ein Massaker mit 35 Toten verübt - bereits das Vierte in zwei Jahren. Obwohl die lokalen Autoritäten, die Vereinten Nationen und auch die kongolesischen Militär- und Sicherheitskräfte im Vorfeld mehrere Male auf die zunehmende Unsicherheit in der Region hingewiesen hatten, konnten weder die Truppen der UNO-Mission noch die kongolesische Armee den Gewaltakt verhindern. Nehmen Unsicherheit und Gewalt im Ostkongo kein Ende, weil zu viele lokale und internationale Player in die Konflikte verwickelt sind und von ihnen profitieren? Oder verhindern sie Schlimmeres?

Im Kongo wie in vielen anderen ehemaligen Kolonien konnte sich nach der Unabhängigkeit nie eine stabile demokratische Regierung ausbilden – geschweige denn eine funktionierende Zivilgesellschaft. An die Stelle der zerstörten traditionellen und zivilgesellschaftlichen Strukturen und des abwesenden staatlichen Gewaltmonopols traten westlich finanzierte Parallelstrukturen: die NGOs und die Friedensmissionen der UNO. Als sich selbst erhaltende, fatal in die jeweiligen Machtsysteme verstrickte Apparate neokolonialer Machart verschrien, befinden sich die NGOs und die UNO-Missionen aktuell in einer Legitimationskrise. Ist die Peacekeeping-Politik der internationalen Gemeinschaft vor Ort mitverantwortlich für den anhaltenden Konflikt?

4.1

"Die MONUSCO hat ihr Mandat verraten."

Zeuge J (Zeuge, Bukavu) ist Überlebender des Massakers von Mutarule.

4.2

"Die Regierung hat nicht versucht diese Konflikte zu stoppen."

Christine Kapalata (Zeugin, Bukavu) gab drei Tage nach dem Massaker in Mutarule eine Stellungnahme der UNO-Mission zu den Ereignissen ab. Sie war zu diesem Zeitpunkt Chief of Political Affairs des MONUSCO-Büros in Bukavu und vermittelnd zwischen den politischen Führern der ethnischen Gruppen tätig.

4.3

"Es gab Unstimmigkeiten in der militärischen Befehlskette."

Jean-Julien Miruho (Zeuge, Bukavu) ist Innenminister der Provinzialregierung Süd-Kivu. Er war als einziger kongolesischer Politiker in Mutarule vor Ort. Er weist alle Vorwürfe einer Verwicklung der Regierung in das Massaker von sich - es handle sich dabei um einen „bedauerlichen Viehstreit“.

4.4

"Mutarule ist nicht der erste Fall von Unfähigkeit, Passivität und Machtlosigkeit der UN-Mission."

Luc Henkinbrant (Zeuge und Experte, Bukavu) war bis 2011 Leiter des Regionalbüros der MONUSCO in Bukavu. Heute ist er Professor an der Universität in Bukavu und leitet verschiedene Forschungsprojekte über die fehlende Strafverfolgung in der Region.

4.5

"Die UN ist nur so stark, wie es ihre Mitgliedstaaten erlauben."

Linda Polman (Zeugin, Berlin) ist Journalistin, Autorin und eine der engagiertesten Kritikerinnen von Hilfsorganisationen und der Friedensmissionen der UNO (MONUSCO). Sie kritisiert die negativen Folgen der oberflächlichen Hilfsleistungen der NGOs, die jeden politischen Wandel in den betroffenen Ländern unmöglich machen.

4.6

"Das veraltete System der Hilfsorganisationen führt zu Abhängigkeit und ignoriert Nachhaltigkeit."

Saran Kaba Jones (Mitglied Jury, Berlin) gründete 2009 die Hilfsorganisation FACE Africa, die zahlreiche Regionen Liberias mit Trinkwasser versorgt. Sie wurde vom Guardian als eine der 25 erfolgreichsten Frauen Afrikas gelistet und vom World Economic Forum in Davos zum Young Global Leader gewählt.