Hearings / Der Fall Bisie

Die Verantwortung der EU und ihrer Mitgliedstaaten

Werden multinationale Unternehmen für ihre Menschenrechtsverletzungen nicht belangt, weil ihr Engagement in Afrika für die Rohstoff- und Energiepolitik Europas notwendig ist?
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2002 entdecken Minenarbeiter auf einem Hügel in der Nähe der Stadt Walikale (Provinz Nord-Kivu) ein großes Vorkommen von Kassiterit. Da die Region durch zahlreiche bewaffnete Gruppen besetzt ist, setzt die Regierung zur Sicherung der Mine die kongolesische Armee ein, die einen großen Teil der Profite abführt. Vier Jahre später erwirbt die Firma MPC von der Regierung in Kinshasa eine Explorationslizenz für die Mine. Es kommt zum offenen Konflikt mit den Minenarbeitern. Werden multinationale Unternehmen für ihre Menschenrechtsverletzungen nicht belangt, weil ihr Engagement in Afrika für die Rohstoff- und Energiepolitik Europas notwendig ist?

Während die Sanktionen gegen die „Konfliktmineralien“ vor allem die kongolesischen Minenarbeiter treffen, werden die multinationalen Unternehmen für Verstöße gegen die Menschenrechte im Kongo kaum zur Verantwortung gezogen. Angesichts des weiterhin steigenden Rohstoffbedarfs in den westlichen Industriestaaten scheint die Regulationpolitik der EU in Zentralafrika vor allem der Sicherung des zukünftigen Konsums zu dienen. So setzt die „saubere“ Energiepolitik der Industriestaaten auf eine neokoloniale Auslagerung aller „schmutzigen“ Primärindustrien und wird von gewaltigen Umsiedlungsaktionen begleitet. Trägt der industrielle Abbau der Rohstoffe in Bisie zur Sicherheit und zur wirtschaftlichen Entwicklung in der Region bei oder profitieren davon einzig die ausländischen Minenunternehmen?

3.1

"Als die Regierung den Bergbau stoppte um gegen die bewaffneten Gruppen vorzugehen, wurden wir arbeitslos."

Stéphane Ikandi (Zeuge, Bukavu) vertritt die lokalen Minenschürfer der Mine Bisie und kämpft an vorderster Front für die Rechte der kleinen Grubenbesitzer. Er ist einer der Entdecker der Mine und Mitbegründer der Kooperative COCABI. 2011 musste er seine Grube aufgeben.

3.2

"Die Menschen aus Walikale profitieren nicht von dem Reichtum an Rohstoffen."

Zeuge B (Zeuge, Bukavu) ist ehemaliger Rebellensoldat der Sheka-Gruppe, die die Mine in Bisie kontrollierte.

3.3

"Nach kongolesischem Gesetz dürfen artisanaler und industrieller Bergbau nicht unter der selben Konzession stattfinden."

Nadine Lusi (Zeugin, Bukavu) ist Entwicklungs- und Öffentlichkeitsbeauftragte der kanadischen Alphamin Ressource Corporation, die in der Mine von Bisie tätig ist.

3.4

"Ich verstehe, dass die Bevölkerung gegen das Gesetz rebelliert."

Fidel Bafilemba (Zeuge und Experte, Bukavu) ist Regionalleiter des „Enough Project“. Er überwacht die Umsetzung des Dodd-Frank Act im Ostkongo und ist treibende Kraft bei der Verdrängung lokaler Milizen aus dem Mineralhandel der Region. Kritische Stimmen sehen in ihm und seiner Organisation eine Interessenvertretung amerikanischer Wirtschaftsführer.

3.5

"Von welchem Recht profitiert die Mehrheit und nicht nur nationale oder internationale Eliten?"

Wolfgang Kaleck (Mitglied Jury, Berlin) leitet als Generalsekretär das European Center for Constitutional and Human Rights (ECCHR) in Berlin, das sich auf Menschenrechtsverletzungen durch multinationale Unternehmen auf fremdem Boden spezialisiert hat.

3.6

"Der Ostkongo war während des Krieges ein Eldorado für nationale und internationale Akteure."

Christoph Vogel (Zeuge und Experte, Berlin) untersucht als Doktorand der Politischen Geographie / Universität Zürich und Fellow der Congo Research Group / New York University das Zusammenspiel von transnationaler Regulation und lokalen Abbauregimes im Minensektor des Ostkongos.

3.7

"Mein Handy wurde in China produziert. Durch fehlende Transparenz wird man niemals erfahren, ob es aus Konfliktmineralien hergestellt wurde."

Judith Sargentini (Expertin, Berlin) ist niederländische Politikerin der Partei GroenLinks. Als Mitglied des Europaparlaments hat sie sich für eine strenge europäische Gesetzgebung gegen den Handel mit Konfliktmineralien eingesetzt, der nicht auf Freiwilligkeit und Selbstzertifizierung durch die Importeure beruht.

3.8

"Ein Mobiltelefon würde 2000 Euro kosten, würde man versuchen, die Wertschöpfungskette transparent zu gestalten."

Harald Welzer (Mitglied Jury, Berlin) ist Sozialpsychologe, Mitbegründer und Direktor der gemeinnützigen Stiftung Futurzwei sowie Honorarprofessor an der Universität Flensburg und Autor (u.a. „Klimakriege“).